Die Jobcenter sind seit einigen Jahren auf dem Weg hin zu mehr Kundenorientierung. Über den Grundsatz des Förderns und Forderns hinaus haben sich viele selbst Leitbilder gegeben, in denen der respektvolle und wertschätzende Umgang mit den Kund*innen, eine Kommunikation auf Augenhöhe, eine positive, respektvolle, freundliche, vorurteilsfreie und auf Vertrauen basierende Grundhaltung ihnen gegenüber betont wird. Das Jobcenter Köln geht jetzt noch einen Schritt weiter, indem es die Leistungsberechtigten als Beratende in seine Arbeit einbezieht. Im Kund*innenbeirat sollen sie die Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen und mit ihren Anregungen und ihrer Kritik die Arbeit des Jobcenters zu verbessern.
„Entstanden ist die Idee Anfang 2021 im Rahmen einer Besprechung mit den beiden Geschäftsführerinnen des Jobcenters, Martina Würker und Sabine Mendez, in der es um die Schwerpunkte des Jahresprogramms ging“, sagt Birgit Aulke, Abteilungsleiterin des Büros der Geschäftsführung im Jobcenter Köln. Sabine Mendez sei kurz zuvor von ihrem Telefonanbieter angeschrieben worden, der einen Kundenbeirat einrichten wollte. Ihr sei dann sehr schnell der Gedanke gekommen: Warum machen wir so etwas eigentlich nicht?
„Wir waren uns sofort einig: tolle Idee!“, sagt Birgit Aulke, zumal eine, die genau in einer Reihe steht mit der Aufgabe, die sich das Jobcenter Köln schon seit geraumer Zeit zur Pflicht gemacht hat: Von den Kund*innen her zu denken, ein Miteinander zu entwickeln. Zwar hatte das Jobcenter zuvor schon zu bestimmten Themen einige Treffen der Geschäftsführung mit Leistungsbeziehenden organisiert und auf diesem Wege ein Feedback eingeholt, aber nicht als ein regelmäßiges Format. Das sollte jetzt mit der Einrichtung des Beirats geschehen.
Birgit Aulke stellte erste Nachforschungen an, fand aber vergleichbare Gremien bei keinem anderen Jobcenter. Also sammelte sie Infos zu Beiräten in anderen Bereichen wie bei Verkehrsbetrieben oder eben Telefonanbietern. Der erste Ansatzpunkt zur konkreten Umsetzung des Vorhabens war dann, eine Satzung zu formulieren. In der steht zum Beispiel, dass sich alle interessierten, volljährigen Kund*innen des Jobcenters Köln für eine Mitgliedschaft im Kund*innenbeirat bewerben können. Damit wirklich alle die Gelegenheit dazu erhielten, schrieb das Jobcenter jede Bedarfsgemeinschaft an und startete gleichzeitig eine Informationskampagne: Das Thema erhielt eine eigene Internetseite mit Fragen-Antwort-Katalog, ein kleines Erklärvideo wurde produziert, es wurde über Plakate, Flyer und Pressemitteilungen für das Projekt geworben. Darüber hinaus wurden auch die Träger der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen informiert.
Großes Interesse der Kund*innen
Die Resonanz war überraschend gut. Rund 600 Bewerbungen gingen beim Jobcenter ein. Zwar waren einige unvollständig, aber es verblieben immerhin noch rund 390, die an dem Auswahlverfahren teilnehmen konnten – denn die Mitgliederzahl des Beirats ist durch die Satzung auf 16 Personen begrenzt. „Die Auswahl fiel uns nicht leicht, weil so viele Menschen mit großem Engagement und Interesse an der Aufgabe dabei waren“, erklärt Birgit Aulke. Ziel war es, einen Querschnitt der Kund*innen des Jobcenters in dem Beirat abzubilden. „Eine bunte Mischung an Menschen und Erfahrungen war uns wichtig, weil wir ja Feedback und Meinung möchten. Und da profitieren wir davon, wenn die im Beirat vertretenen Menschen unterschiedliche Erfahrungen haben, andere Lebensgeschichten, unterschiedliche Gründe, warum sie im SGB II-Leistungsbezug sind.“
Kund*innen mit unterschiedlichen Nationalitäten und Migrationshintergründen sind unter den 16 Beiratsmitgliedern ebenso vertreten wie solche aus unterschiedlichen Altersgruppen, Stadtteilen und Berufen – außerdem auch Alleinerziehende sowie Menschen, die ein niedriges Einkommen mit SGB II-Leistungen aufstocken. Und natürlich ist der Beirat auch, was das Geschlecht angeht, paritätisch besetzt. Ein wichtiges Auswahlkriterium war darüber hinaus die Motivation der Interessent*innen. Deshalb konnten sie auf dem Bewerbungsbogen auch die Gründe nennen, warum sie Mitglied des Beirats werden wollen.
„Fast alle Zielgruppen, die wir im Jobcenter haben, sitzen jetzt im Kund*innenbeirat“, freut sich Birgit Aulke. „Dadurch ist das Spektrum des Inputs, den wir von den Menschen bekommen, sehr groß.“
Einige der Menschen, die beim ersten Auswahlverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, ließen sich auf eine Nachrückerliste setzen. Zurzeit sind es 52. Wenn jemand aus dem Beirat ausscheidet, zum Beispiel, weil er oder sie eine Arbeit aufnimmt, kann das Jobcenter auf diese Liste zugreifen und den Beirat so schnell wieder komplettieren. Birgit Aulke ist immer noch begeistert von dem gesamten Unterfangen. „Meine größte Horrorvorstellung war, dass sich überhaupt niemand dafür interessiert. Das hat sich als vollkommen unbegründet herausgestellt. So viele tolle Menschen fühlten sich von unserer Idee angesprochen und der ganze Prozess hat Megaspaß gemacht.“
Beirat macht Vorschläge für Verbesserungen
Die 16 Mitglieder des Beirats, die für die Dauer von zwei Jahren teilnehmen können, vertreten die Interessen aller Kund*innen des Jobcenters Köln. Das Gremium soll Feedback zu neuen Ideen des Jobcenters geben und Vorschläge entwickeln, die die Angebote, die Kommunikation und die Services verbessern können. Er soll somit wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung des Jobcenters sein. Die Mitglieder des Kund*innenbeirats erhalten vertiefte Einblicke in die Prozesse und Planungen des Jobcenters Köln und sollen dem Jobcenter dabei helfen, die Bedürfnisse der Leistungsberechtigten besser zu verstehen. Auch die Entwicklung eigener Ideen ist erwünscht, zum Beispiel dazu, wie das Jobcenter sich noch besser an den Bedürfnissen seiner Zielgruppen orientieren kann und wie sich das Handeln des Jobcenters besser erklären lässt. Überlegenswerte Vorschläge des Beirats, die als Empfehlungen zu verstehen sind, werden im Jobcenter an die zuständigen Bereiche weitergeleitet, die diese bewerten und dazu dem Beirat Rückmeldung geben.
Der Kund*innenbeirat des Jobcenters Köln trifft sich grundsätzlich viermal im Jahr. Die Sitzungen finden in der Regel im Jobcenter statt, es können aber auch abweichende Sitzungsorte oder Formate, zum Beispiel telefonisch oder digital, festgelegt werden. Die Geschäftsführung leitet und moderiert die Sitzungen des Gremiums. Sie nimmt also regelmäßig selbst teil, um mit den Kund*innen persönlich in den Austausch zu kommen.
„Für uns war der Beirat, die nächste Ausbaustufe, unser Ziel, von der Kundin/dem Kunden her zu denken, zu erreichen“, sagt Birgit Aulke. „Was gibt es Besseres, als Kund*innen um ihre offene und ehrliche Meinung zu bitten, sich Feedback und Kritik einzuholen. Daraus können wir lernen und uns verbessern.“ Das Ziel sei gewesen, mit einer Gruppe von Menschen ein vertrauensvolles Miteinander aufzubauen, intensiver, als man das aus der normalen Beratungssituation kennt. Der Beirat ist hierbei kein Teil eines Beschwerdemanagements. Die für die Mitglieder des Beirats zuständigen Mitarbeiter*innen des Jobcenters werden im Beirat nicht namentlich benannt, die Mitglieder des Beirats müssen auch keine Informationen über die Beiratsmitglieder an Integrationsfachkräfte oder andere Mitarbeiter*innen weitergeben. Die Beiratssitzungen finden also in einem „geschützten Raum“ statt. „Damit die Idee funktioniert, braucht es ganz viel Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander“, sagt Birgit Aulke. „Nur so kann man in diesem Gremium über alles reden.“
Kennenlerntreffen zum Auftakt
Weil man ein erstes Treffen mit den Beiratsmitgliedern unbedingt in Präsenz durchführen wollte und die Pandemie das lange Zeit nicht zuließ, konnte die Auftaktsitzung erst im Juli 2022 stattfinden. Das erste Treffen war noch nicht als Arbeitstreffen, sondern als Kennenlerntreffen in entspannter Atmosphäre konzipiert. Das erste Arbeitstreffen fand im September 2022 statt. Es ging um die Erfahrungen der Beiratsmitglieder mit der Erreichbarkeit des Jobcenters, aber auch zum Beispiel darum, welche digitalen Möglichkeiten die Kund*innen positiv bewerten. Beim zweiten Arbeitstreffen im November war dann „Beratung“ das Thema. Alle Beiratsmitglieder haben schon Beratungen erlebt und konnten berichten, was aus ihrer Sicht gut und was weniger gut gelaufen ist. Eine Anregung war zum Beispiel, dass Mitarbeitende, die für die Unterstützung von Kund*innen im Bereich der digitalen Kommunikation zuständig sind, mehrsprachig sein sollten. Denn wenn Menschen digital nicht gut aufgestellt seien und auch noch eine Sprachbarriere hinzukomme, werde es für sie doppelt schwierig, digitale Angebote zu nutzen. „Solche Anregungen reflektieren wir im Nachgang und entscheiden, was wir davon nutzen können. Uns ist es wichtig, die Anregungen des Beirats mitzunehmen, unser Anspruch ist es aber nicht, alles auch umzusetzen“, so Birgit Aulke. Das sei in vielen Fällen, etwa wenn Vorschläge in Richtung einer Gesetzesänderung gehen, auch gar nicht möglich.
Aber so grundlegend sind die Anregungen aus dem Beirat bisher auch gar nicht. Oft handelt es sich um kleine hilfreiche Tipps. Als ein Beispiel nennt Birgit Aulke den Vorschlag einer Kundin im Beirat zur Fahrtkostenerstattung. Anstatt Fahrtkosten nachträglich zu erstatten, hatte sie die Idee, auf dem Einladungsschreiben des Jobcenters einen QR-Code abzudrucken, der dann direkt die Fahrkarte ersetzt. Ob sich das umsetzen lässt, wird gerade geprüft.
Andere Jobcenter zeigen reges Interesse
Insgesamt zeigt sich das Jobcenter Köln sehr zufrieden mit dem neuen Format. Was nicht heißt, dass schon alles „fertig“ ist. Das Konzept „Kund*innenbeirat“ sei weiter ausbau- und veränderbar, so
Birgit Aulke. Impulse dazu könnten auch von anderen Jobcentern kommen, die sich bereits beim Jobcenter Köln über den Kund*innenbeirat erkundigt haben, zum Teil aber ganz eigene Ideen für eine Umsetzung mitbringen. Die findet man wiederum in Köln sehr spannend, wo man interessierte Jobcenter gern unterstützt. „So wird es im Laufe der Zeit viele Ideen geben, von denen dann wieder wir profitieren können“, sagt Birgit Aulke. Die jetzt noch kein ganzes Jahr existierende Organisation wolle man nun aber erst einmal „leben“. „Spätestens der Beirat hat ja bewiesen, dass es gewinnbringend ist, die Kundinnen und Kunden unmittelbar einzubinden.“ Was die Geschäftsführung und Birgit Aulke vor allem merken, ist, dass vieles, was das Jobcenter tut und tun muss, erklärungsbedürftig ist. „Ich finde, alles, was Transparenz schafft, was verständlich macht, warum wir so handeln, wie wir handeln, ist absolut förderlich. Am Ende geht es darum, dass wir ein anderes Miteinander mit den Kundinnen und Kunden finden, unmittelbar mit ihnen ins Gespräch kommen und sie sich auf diese Art und Weise mit einbringen können. Keine Mitbestimmung – aber Meinung sagen, Feedback geben, auch Kritik äußern. Das bringt uns weiter.“
Die Idee des Beirats ist übrigens auf Dauer angelegt. Solange es für beide Seiten gewinnbringend ist, soll der Kund*innenbeirat am Jobcenter Köln bestehen bleiben. „Es war viel Arbeit, aber sie hat Spaß gemacht und sich gelohnt“ sagt Birgit Aulke. „Von der Bewerbung auf dem Papier kannte ich die jetzigen Mitglieder des Beirats alle. Aber als wir die Menschen dann persönlich getroffen haben und erleben konnten, wie sehr sie sich freuen und sich auch geehrt fühlen, dass sie sich mit einbringen können – das war ein ganz besonderes Erlebnis und ist es bei jedem Treffen wieder. Das kann nur ein Gewinn für uns sein. Und wenn den Kundinnen und Kunden das auch Spaß macht und sie etwas davon mitnehmen, muss ich sagen: Besser geht’s nicht!“
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Ansprechperson in der G.I.B.