(Heft 3/2019)
Qualifizierungszentrum für Zugewanderte in der ehemaligen Ausbildungswerkstatt von Opel

QUAZ.RUHR

„Alles unter einem Dach“ lautet das Motto beim Sprach- und Qualifizierungszentrum für Zugewanderte in Bochum-Langendreer, kurz QUAZ.RUHR. Derzeit stehen über 300 Plätze für Menschen mit Migrationshintergrund in der ehemaligen Ausbildungswerkstatt von Opel zur Verfügung. Sie haben dort die Chance, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, sich parallel in verschiedenen Berufsfeldern praktisch zu erproben, zu qualifizieren und mit der Hilfe von Jobcoachs den Weg in die Arbeitswelt zu finden.

Dass dieses Ziel auch erreicht wird, zeigt das Beispiel von Nikolaus K. Der heute 26-Jährige ist zwar in Gelsenkirchen geboren, hat dort aber nur bis zu seinem achten Lebensjahr gewohnt, dann zog es seine Eltern zurück nach Griechenland. Dort besuchte er die Schule, wurde Pflege-Assis­tent, bekam aber durch die Krise in Griechenland keinen Job. 2013 fand er Arbeit in einem Eiscafé in Deutschland, arbeitete dort viereinhalb Jahre. „Da habe ich gut Deutsch gelernt, viel mit Leuten kommuniziert – das ist wichtig“, sagt er. Doch er wollte zurück in einen Pflegeberuf. „Jetzt bin ich im Bereich Pflege im QUAZ, habe auch ein vierwöchiges Praktikum gemacht. Und nächsten Monat beginne ich eine Ausbildung als Altenpfleger.“ Den Ausbildungsplatz hat er gemeinsam mit seinem Jobcoach beim QUAZ gefunden.

Alles an einem Ort
 

Für das Modellprojekt „Sprach- und Qualifizierungszentrum für Zugewanderte“ haben sich nicht nur die Agenturen für Arbeit der Städte Bochum und Hagen sowie die Jobcenter Bochum, Herne und Ennepe-Ruhr zusammengetan, es wird auch gleich von vier renommierten Bildungsanbietern umgesetzt: der Bochumer QBS Gewerkstatt gGmbH, der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Herne mbH, dem Hattinger HAZ Arbeit + Zukunft e. V. sowie der Volkshochschule Witten | Wetter | Herdecke.

Das große Miteinander setzt sich im QUAZ.RUHR fort: Die über 300 Teilnehmenden rekrutieren sich sowohl aus Geflüchteten als auch aus schon länger in Deutschland lebenden Zugewanderten. Und sie werden von einem 40-köpfigen gemeinsamen Team der vier Träger betreut. All das dient einem großen Ziel: der Integration der Zugewanderten in Arbeit und damit in die Gesellschaft.

„Unsere Bietergemeinschaft hat mit dem Konzept gewonnen: Alle Angebote für die Teilnehmenden erfolgen gebündelt an einem Ort“, sagt Peter Lübbert, Geschäftsführer der QBS Gewerkstatt gGmbH und gleichzeitig Betriebsleiter des QUAZ.RUHR. Sprachunterricht, Angebote zur Qualifizierung und zur Integration der Teilnehmenden in Ausbildung und Arbeit zu bündeln, das sei von Anfang an die zentrale Kernidee des Projekts gewesen. „Eine wichtige Erkenntnis war, dass ein entscheidendes Hemmnis zur Vermittlung der zugewanderten Menschen in Arbeit ein Sprachdefizit ist.“ Deshalb wurde über das Arbeitsministerium Nordrhein-Westfalen ein Antrag zur Finanzierung von Sprachkursen mit EU-Mitteln gestellt. Mit Erfolg. Das QUAZ.RUHR kann dadurch auch Zugewanderten eine Sprachförderung anbieten, die schon länger in Deutschland leben und keinen Anspruch (mehr) auf einen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderten Sprachkurs haben oder die bereits einen BAMF-Sprachkurs absolviert haben, aber trotzdem noch ein Sprachdefizit aufweisen.

„Das ist ein großes Plus für uns. Denn im Rahmen der Regelförderung hätten wir sonst keine Möglichkeit, diese Menschen sprachlich zu fördern“, sagt Birgit Westphal, Prokuristin der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Herne mbH.

Das Modellprojekt wurde von der Agentur für Arbeit ausgeschrieben. Grundsätzlich richtet QUAZ.RUHR sich an zugewanderte, erwerbslose Menschen der Rechtskreise SGB II und III. Sie werden von der Agentur für Arbeit oder den Jobcentern in der Regel für einen Zeitraum von sechs Monaten mit einem Umfang von bis zu 39 Stunden pro Woche zugewiesen, wobei die Verbleibdauer individuell auf bis zu einem Jahr erweitert werden kann.

Die Zielgruppe besteht im Einzelnen aus Asylbewerbern mit positiver Bleibeperspektive, gelduldeten Asylbewerbern mit Arbeitsmarktzugang und erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Migrationshintergrund und Sprach- und Qualifizierungsdefiziten. Waren die Teilnehmenden am Anfang des Projekts überwiegend Geflüchtete (61 Prozent), veränderte sich das Verhältnis im Laufe der Zeit zugunsten der schon länger in Deutschland lebenden Migranten, die zurzeit 52 Prozent der Teilnehmenden ausmachen. Die Altersspanne der Menschen, die das QUAZ besuchen, reicht von rund 20 Jahren bis Ende 50. Rund 30 Prozent sind Frauen. Der Einstieg in das Projekt ist bei freien Plätzen jederzeit möglich.

Das Projekt umfasste zunächst den Zeitraum 01.09.2017 bis 31.08.2018 und wurde dann um zwei weitere Jahre verlängert. Je nach Größe sind für die beteiligten Städte verschieden große Teilnehmerplatz-Kontingente festgelegt.1

Kompetenzfeststellung, Sprachunterricht, praktische Arbeit
 

Was passiert im Einzelnen im QUAZ? Zunächst werden die persönlichen, beruflichen und sprachlichen Kompetenzen der Teilnehmenden festgestellt. Diese erste Phase im Projekt dauert ungefähr eine Woche. Die Arbeit im Projekt besteht dann zur Hälfte aus Sprachunterricht, sowohl berufsbezogen als auch allgemein. Die andere Hälfte findet in Werkstätten statt.

Die Zugewanderten haben hier die Gelegenheit an Erprobungen und Qualifizierungen in den Berufsfeldern HoGa/Hauswirtschaft/Ernährung, Lager/Logis­tik/Handel, Metall, Farbe/Raumgestaltung, Pflege/Gesundheit und Elektro teilzunehmen. Dazu kommt noch ein Projekt im Garten- und Landschaftsbau. Die Teilnehmenden entscheiden sich zunächst für ein Berufsfeld, können dann aber noch einmal wechseln. Auch Teilqualifikationen sind im QUAZ möglich. So können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Bereich Lager/Logistik zum Beispiel einen Gabelstaplerschein erwerben, in der Pflege wird gerade die Qualifikation zum Betreuungsassistenten eingerichtet. „Mit dem entsprechenden Zertifikat, ist es für diese Menschen dann leichter, den beruflichen Einstieg in den Pflegebereich zu finden“, so Peter Lübbert. Gerade in der Kranken- und Altenpflege sei zwar ein großer Bedarf vorhanden, der Einstieg in Ausbildung sei aber auch schwierig, weil gesetzlich vorgeschrieben zwingend ein Schulabschluss verlangt werde.

Eine Teilnehmerin, die gerne in die Altenpflege möchte, ist die 33-jährige Ranta S. aus Polen. Sie ist seit etwas mehr als drei Jahren in Deutschland, hatte schon vor dem Einstieg ins Projekt einen Sprachkurs mit dem B1-Zertifikat abgeschlossen. Die zweifache Mutter und gelernte Verkäuferin nimmt in Teilzeit nur an dem praktischen Teil des Projekts teil, weil sie nachmittags ihre fünf- und achtjährigen Kinder betreuen muss. Sie hat sich für den Pflegebereich des QUAZ entschieden. „Ich habe hier bereits viel gelernt: Leute waschen, Bett beziehen, mit Demenz umgehen“, berichtet sie. „Ich weiß aus dem Praktikum, das ich gemacht habe: Das ist ein schwerer Beruf. Aber ich fühle, dass ich Menschen helfen möchte. Ich möchte weiter lernen und hoffe, dass es mit einer dreijährigen Ausbildung in der Altenpflege klappt.“ Großes Lob spendet sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des QUAZ: „Das ist hier wirklich ein Super-Team. Sie helfen uns und ebnen uns den Weg in eine gute Zukunft. Das ist hier eine große, große Chance.“

Praktika beziehungsweise betriebliche Erprobungen bei Kooperationsbetrieben gehören auch zum Konzept. Dabei spielt der Verein zur Unterstützung der Qualifizierung und Ausbildung von Zugewanderten e. V.eine wichtige Rolle. Er hat sich dazu verpflichtet, bei der Vermittlung in Praktika zu helfen. „Und aus Praktika ergeben sich auch häufig Vermittlungen in Arbeit“, weiß Birgit Westphal, die außerdem auf das gute, in vielen Jahren aufgebaute Netzwerk der vier im Projekt engagierten Träger und ihre guten Kontakte zu Betrieben verweist. „Gerade im wachsenden Wirtschaftssegment Lager/Logistik in der Region ist der Bedarf an Kräften groß. Dort können wir schon eine Vielzahl an Vermittlungen verzeichnen“, ergänzt Peter Lübbert.

„Sieben der 40 Mitarbeitenden sind Jobcoachs, die sich genau um diese Arbeit kümmern: Kontakte zu Firmen knüpfen, um die Teilnehmenden in die fachpraktische Erprobung oder noch besser in den Job zu bringen“, verdeutlicht Werner Fuhrmann von der QBS Gewerkstatt gGmbH. „Obwohl rund 70 Prozent unserer Teilnehmenden bei Einstieg ins Projekt keine berufliche Qualifikation vorweisen können, liegen wir derzeit bei rund 240 Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt, Ausbildung und Weiterqualifizierung.“

So weit ist es bei Abero A. noch nicht, aber er ist mithilfe seines Jobcoachs auf dem Weg. Der 22-jährige Flüchtling aus Syrien, ist seit zwei Monaten im QUAZ. „Mit 18 muss man in Syrien zum Militär gehen. Ich wollte nicht in den Krieg. Mit 17 bin ich deshalb mit meiner Mutter und zwei Schwes­tern nach Deutschland geflohen.“ Er hat in Deutschland mehrere Sprachkurse bis zum Niveau B1 absolviert sowie ein Jahr Bundesfreiwilligendienst in einem Krankenhaus geleistet. Danach war er in verschiedenen Maßnahmen. Auf seinem bisherigen Weg hat Abero A. herausgefunden, dass er nicht in die Krankenpflege gehen möchte. „Das war nichts für mich“, sagt er. Er will im QUAZ aber die Qualifikation zum Betreuungsassistenten absolvieren. „Und dann möchte ich in die Orthopädie-Technik. Mein Jobcoach hat einen Praktikumsplatz für mich gefunden, am 2.4. fange ich an“, berichtet der junge Mann.

Eine weitere Besonderheit im Projekt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuweisenden Jobcenter und der Agentur für Arbeit kommen ins QUAZ und führen dort gemeinsam mit den im Projekt tätigen Sozial- und Jobcoachs Gespräche mit den Teilnehmenden. Es werden berufliche Perspektiven erarbeitet und die entsprechenden Umsetzungsschritte geplant, initiiert und begleitet.

Neben der Heranführung an den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt inklusive Bewerbungsmanagement sind die Unterstützung bei der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen und Nachweise, die Erweiterung sozialintegrativer Fähigkeiten und berufsfachlicher Kompetenzen und die Gesundheitsförderung weitere wichtige Elemente im QUAZ-Gesamtkonzept.

Glücksfall ehemalige Ausbildungswerkstatt
 

Den Standort des Projekts muss man wohl als Glücksfall bezeichnen. Ob Sprachkurs, Kompetenzfeststellung, Qualifizierung in den genannten Berufsfeldern, – es kann tatsächlich alles unter einem Dach stattfinden.

Die ehemalige Ausbildungswerkstatt des Automobilherstellers Opel in Bochum-Langendreer, die nach der Stilllegung der Opelproduktion im Jahr 2014 von den Projektinitiatoren vor dem Abriss bewahrt werden konnte, bietet 4.000 Quadratmeter große und professionell ausgestattete Werkstätten, Praxisbereiche und Schulungsräume, dazu Außenflächen. Investiert werden musste in einen neuen Zugang, der nicht mehr über das Opel-Gelände führt sowie in die Ausstattung und Renovierung der Schulungsräume.

Vorteile gegenüber früheren Projekten
 

Bei vielen früheren Projekten waren die verschiedenen Unterstützungsleistungen dezentral bei unterschiedlichen Bildungsträgern angesiedelt, zum Beispiel vormittags Sprachkurs in der Stadt, nachmittags berufliche Erprobung in einer Werkstatt außerhalb. „Da ist viel Zeit verloren gegangen. Und es sind auch teilnehmende Menschen ‚verloren‘ gegangen“, weiß Peter Lübbert. Das werde beim Projekt QUAZ.RUHR von vornherein vermieden.

Es gehe darum, so Birgit Westphal, die Menschen beruflich vorzubereiten, die Sprachkompetenz zu stärken und sie gleichzeitig durch sozialpädagogische Betreuung auch in Fragen des allgemeinen Lebens und des Alltags zu unterstützen. „Wir schauen auch, welche Hemmnisse, zum Beispiel fehlende Kinderbetreuung, es aus dem privaten Umfeld gibt, die einer Vermittlung in den Arbeitsmarkt im Wege stehen und unterstützen bei der Lösung.“

Ein weiteres Problem sei immer die Differenzierung im Sprachbereich gewesen. Bei der großen Zahl der Teilnehmenden im QUAZ.RUHR-Projekt könne man nun Sprachkurse für unterschiedliche Sprachniveaus in einem Projekt anbieten, die dem unterschiedlichen Stand der Teilnehmenden gerecht werden. Zudem kennen sich Sprachlehrer und Anleiter in den Werkstätten und können sich einfacher austauschen.

Es gibt mittlerweile zwölf Deutsch-Klassen im QUAZ.RUHR. Jeder Teilnehmende wird beim Einstieg in das Projekt nach einem Sprachtest dem seinem Niveau entsprechenden Sprachkurs zugeordnet. Die Kurse sind aber durchlässig, sodass die Teilnehmenden bei einer schnellen sprachlichen Entwicklung in eine Klasse mit dem nächst höheren Sprachniveau wechseln können. Wenn es sich um einen BAMF-Kurs handelt, sind die Prüfung und das Zertifikat am Ende obligatorisch. Handelt es sich um einen landesfinanzierten Sprachkurs, wird der Teilnehmende, wenn er das entsprechende Sprachniveau erreicht hat, zu den gleichen Prüfungen angemeldet und hat so die Möglichkeit das gleiche Zertifikat zu erwerben, wie die Teilnehmenden der BAMF-Kurse, und das unabhängig davon, wie lange sie am Sprachkurs teilgenommen haben. Da nur diejenigen zum Test angemeldet werden, die ein entsprechendes Niveau erreicht haben, sei die Erfolgsquote entsprechend hoch.

Solche Erfolge bleiben natürlich auch den Jobcentern und der Agentur für Arbeit, die die Teilnehmenden zuweisen und das Projekt zu etwa 80 Prozent finanzieren, nicht verborgen. Mit 200 Teilnehmerplätzen gestartet, wurde die Zahl kontinuierlich erhöht. Zurzeit gibt es 300 Teilnehmende. Das zeigt den großen Bedarf.

Der neue Ansatz entspreche der Erkenntnis, dass man eben nicht, – wie man es vielleicht am Anfang der Flüchtlingskrise dachte –, die Menschen schnell in Arbeit bringen und damit die Bedarfe an Fachkräften mit ihnen decken könne, sagt Werner Fuhrmann. „Es ist ein langer Weg zum Spracherwerb, zur Qualifizierung und zur beruflichen und damit sozialen Integration. Deswegen braucht es längerfristig Projekte dieser Art.“ Wobei das Projekt durchaus noch Potenzial zur Weiterentwicklung biete. So müsse man, besonders mit Blick auf das Potenzial der Frauen, zum Beispiel überlegen, ob man nicht vor Ort noch eine Kinderbetreuung organisieren könnte. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Das Projekt ist zurzeit bis August 2020 befristet.


1 Ursprünglich 100 Plätze für Bochum, 50 für Herne, 25 für Hattingen und Witten. Heute stehen im gleichen Verhältnis über 300 Plätze zur Verfügung.

2 Der 2017 gegründete Verein wird von den Städten Bochum, Herne, Witten und Hattingen, der Bochum Perspektive 2022, den Kreishandwerkerschaften, dem Einzelhandelsverband, der Ruhr-Universität Bochum, der Hochschule Bochum, der IG Metall, dem Arbeitgeberverband, der katholischen und evangelischen Kirche, der Arbeitsgemeinschaft Bochumer Moscheen sowie der IHK Mittleres Ruhrgebiet getragen.

Ansprechperson in der G.I.B.

Anne Gollenbeck
Tel.: 02041 767251
a.gollenbeck@gib.nrw.de

Kontakte

Geschäftsführer QBS Gewerkstatt gGmbH
Betriebsleitung quaz.ruhr Sprach- und Qualifizierungszentrum
Somborner Str. 84
44894 Bochum-Langendreer
Peter Lübbert
Tel.: 0234 6872670
info@quaz.ruhr

QBS Gewerkstatt gGmbH
Werner Fuhrmann
Tel.: 0234 92563910
fuhrmann@gewerkstatt.de

Prokuristin Gemeinnützige
Beschäftigungsgesellschaft Herne mbH
Südstraße 19/21
44625 Herne
Birgit Westphal
Tel.: 02323 169121
birgit.westphal@gbh.herne.de

Autor

Frank Stefan Krupop
Tel.: 02306 741093
frank_krupop@web.de
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