Dies wiederum erschwert ihre Bildungschancen, die Möglichkeit des Zugangs zu Ausbildung oder Studium und letztendlich den Einstieg ins Berufsleben. Gefragt und gefordert ist besonders die Arbeit an den Schulen, dem Ort, an dem Kinder in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Potenziale gefördert und unterstützt werden.
Hier setzt das vom Bildungszentrum des Handels e. V. Recklinghausen (BZdH) konzipierte Projekt „Lebenswelten aktiv gestalten“ an: ein Projekt, zur Förderung der Persönlichkeit aller Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen in den Kohlerückzugsregionen des Ruhrgebiets, unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Bildung und ausgerichtet an den individuellen Bedarfen. Den Schülerinnen und Schülern werden Angebote bereitgestellt, die die Entwicklung ihrer persönlichen und sozialen Kompetenzen fördern sowie ihnen Handlungsoptionen für die Entfaltung eines Verantwortungsbewusstseins für sich selbst und ihr Umfeld aufzeigen.
Finanziell getragen wird das Projekt vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds, der RAG-Stiftung und der Stiftung Mercator. Das Pilotprojekt startete im Jahr 2016 mit 400 Kindern an fünf Schulen in der Emscher-Lippe-Region. Unter der konzeptionellen Federführung des BZdH wird das Projekt von Trägern der Berufsorientierung und freien Jugendarbeit an den teilnehmenden Schulen durchgeführt.
Der Strukturwandel und seine sozialen Folgen
„So früh wie möglich zu handeln, ist entscheidend“, sagt Dorothee Kuckhoff, Projektleiterin vom BZdH, über die Notwendigkeit, bereits nach dem Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule mit dem Projekt anzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler werden so bei der Auseinandersetzung mit sich und ihrer Lebenswelt frühzeitig begleitet. Der Ansatz, dass hierbei Schulen und außerschulische Träger zusammenarbeiten, ist laut Kuckhoff sinnvoll, da die Betreuung der Projektgruppen durch Lehrerinnen und Lehrer eine zusätzliche Aufgabe darstellt, die personelle und zeitliche Ressourcen erfordert, die nicht vorhanden seien.
Direkt im Anschluss an den Projektstart wurde das Projekt auf 18 Schulen in den Kohlerückzugsregionen des Ruhrgebietes mit 1.460 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang ausgeweitet. „Neu ist, dass durch die Förderbeteiligung der Stiftung Mercator in der zweiten Förderphase die kulturelle Bildung, die ein großes Anliegen der Stiftung darstellt, Einzug in das Projekt erhalten hat. Kinder erhalten auf diese Weise einen Zugang zu Angeboten der kulturellen Bildung, den sie, da er häufig vom individuellen Elternhaus abhängt, ohne das Projekt vermutlich nicht hätten. Das Projekt leistet somit auch einen Beitrag zu Bildungsgerechtigkeit. Es stärkt durch kulturelle Betätigung die Persönlichkeitsentwicklung, fördert die Ausdrucks- und Gestaltungskompetenz und vermittelt den Schülerinnen und Schülern grundlegende Fähigkeiten für eine aktive Gestaltung der eigenen Lebens- und zukünftigen Arbeitswelt“, so die Projektleiterin.
An dem Projekt nimmt die gesamte Jahrgangsstufe teil, sodass keine defizitorientierte Auslese stattfindet. Die Schülerinnen und Schüler sollen voneinander und miteinander lernen und die Chance haben, ihre individuellen Stärken zu entdecken und zu zeigen. Mit der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags zwischen Schule und dem durchführenden Träger werden die Förderangebote an die Schülerschaft im Rahmen des Projekts einer schulischen Veranstaltung gleichgestellt. Die Schülerinnen und Schüler nehmen in der Regel eineinhalb Jahre am Projekt teil. Die Umsetzung findet in Kleingruppen mit einem Betreuungsschlüssel von eins zu fünf statt. Die dadurch garantierte Aufmerksamkeit für alle Mitglieder der Kleingruppe ermöglicht eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit und erleichtert die Entfaltung der persönlichen Potenziale.
Alle teilnehmenden Schulen liegen in den Kohlerückzugsregionen des Ruhrgebiets, wo die RAG-Stiftung als einer der drei Fördermittelgeber den Strukturwandel durch Projekte begleitet. „Damit die Schülerinnen und Schüler zukünftig bessere Perspektiven haben, sollen sie sich durch informelles Lernen für ihre Persönlichkeitsentwicklung wichtige Kompetenzen und Fertigkeiten auch in außerschulischen Zusammenhängen aneignen. Das daraus gewonnene Bewusstsein über die eigenen Stärken gibt ihnen mehr Selbstvertrauen und bessere Aussichten auf einen guten Schulabschluss und späteren erfolgreichen Übergang von der Schule in den Beruf“, beschreibt Kuckhoff das Ziel von „Lebenswelten aktiv gestalten“.
Schritt für Schritt die persönlichen Stärken erkennen
Damit das Projekt umgesetzt werden konnte, mussten zunächst geeignete Schulen sowie Träger gefunden werden, die definierte Förderangebote zur Verfügung stellen. Die Auswahl der am Projekt teilnehmenden Schulen übernahm in der Regel die Schulaufsicht in Zusammenarbeit mit den Kommunalen Koordinierungsstellen (KoKo), die in jeder Gebietskörperschaft in Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf in NRW“ (KAoA) vor Ort tätig sind.
So auch im Falle der Sekundarschule Rheinhausen in Duisburg. Für sie sprachen laut des Leiters der KoKo Duisburg, Axel Roghmanns, folgende Gründe: „Aufgrund der Erfahrung dieser Sekundarschule1 in der Zusammenarbeit mit außerschulischen Projektträgern und der Umsetzung individueller Förderangebote haben wir explizit diese Schule gewählt, um das Projekt durchzuführen.“ Mit der Duisburger Werkkiste wurde ein entsprechender Träger gefunden, der die Trainerinnen und Trainer stellt, die die Kinder durch das Projekt begleiten.
Gestartet wird an der Sekundarschule Rheinhausen mit vier Projekttagen in der 5. Klasse, an denen freischaffende Künstler verschiedenste Workshops anbieten. Großer Beliebtheit an der Duisburger Sekundarschule erfreuten sich vor allem die Angebote zu Graffiti, Storytelling-Techniken in Comics und Rap für Beginner. Für Letzteres konnten die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel eigene Rapsongs im Tonstudio aufnehmen und diese dann in der Schule präsentieren. „Durch das Verfassen von Raptexten verarbeiteten die Kids ihre eigene Umwelt. Nach dem Motto „Das sind unsere Probleme, hört uns zu!“, beschreibt der leitende Trainer der Duisburger Werkkiste, Nils Szymanski, die Begeisterung der Kinder an der künstlerischen Reflexion ihres Alltags. Mit dem Start ins sechste Schuljahr beginnt im Anschluss die reguläre Projektphase. Dazu durchlaufen die Schülerinnen und Schüler insgesamt fünf Module. Wichtige Ziele hierbei: Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Freude am Lernen erwerben, belangreiche Faktoren, die auch vor Schulversagen und Schulabbruch schützen können.
Im ersten Modul geht es um die Selbstwahrnehmung und die Rolle des Individuums in der Gruppe. „Es ist wichtig, dass die Kinder am Anfang sich selbst und ihre eigene Position in der Klasse kennenlernen. Auf dieser Basis erkennen sie die Vielfalt ihrer heterogenen Gruppen und können Stereotypisierungen entgegentreten“, so die Koordinatorin des Projekts vom BZdH in Duisburg Simone Gendorf.
Das zweite Modul befasst sich damit, in Kleingruppen abseits der bestehenden Cliquen die Klassengemeinschaft neu kennenzulernen. „In den Klassen bilden sich schnell feste Gemeinschaften, wo jeder unter sich ist. Die Arbeit in den Kleingruppen eignet sich gut, um diese aufzuspalten. Denn im Gespräch über Hobbys lernen sich Schülerinnen und Schüler kennen, die sich sonst in der Klasse aus dem Weg gehen“, sagt Szymanski. Dazu werden sie vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt, die sie nur gemeinsam bewältigen können. Und: „Sie erleben sich so als Teil eines Gruppenprozesses und erkennen die Relevanz von unterschiedlichen Stärken“, so Szymanski.
Kern des dritten Moduls ist die Neuentdeckung ihrer Welt – abseits von altbekannten Wegen. Bei Ausflügen in den Landschaftspark Duisburg-Nord oder ins Lehmbruck-Museum lernen die Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Rheinhausen ihre Stadt und die Ursprünge der Industriekultur des Ruhrgebiets kennen. Und: Wie man von A nach B kommt, was im Sinne der später gefragten Arbeitsmobilität wichtig wird. „Wir haben die Schüler bewusst in die Organisation der Ausflüge miteinbezogen. Sie mussten selbst im Internet recherchieren, wie man wohin kommt und wie viel ein Ticket kostet. So lernen sie, sich selbstsicher in der Stadt zu bewegen“, erklärt Szymanski. Zudem setzen sich die Kinder in diesem Modul mit ihrem virtuellen Umfeld auseinander. Konkret: Was kann ich in den sozialen Netzwerken teilen, was lieber nicht? Wie orientiere ich mich im Labyrinth aus Informationen und wie kann ich diese in meinem Alltag, aber auch im Kontext der schulischen Bildung und der Ausbildung nutzen? Dies schult die strategische Herangehensweise an komplexe Aufgabenstellungen und hilft, Arbeitsteilung sowie Zeitmanagement zu verstehen.
Im vierten Modul entdecken die Kinder unbekannte Welten. Hier geht es um die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen unseres Verhaltens auf globaler Ebene und die Möglichkeiten, vor Ort weltweiten Problemen zu begegnen. Dafür werden aktuelle Themen aufgegriffen. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit den Folgen des Plastikverbrauchs für die Umwelt auseinander. Sie erfahren spielerisch auch die Bedeutung demokratischer Aushandlungsprozesse und damit zum Beispiel, warum es in einem globalen Kontext so schwierig ist, zu Entscheidungen zu kommen.
Mit dem fünften Modul schließt die Projektphase ab. In Ausstellungen, Auftritten und Präsentationen stellen die Teilnehmenden anderen Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrenden selbstbewusst ihr Erlerntes und ihre Erkenntnisse vor.
Vom Projektträger BZdH wurde ein umfangreiches Modulhandbuch entwickelt welches als verbindlicher Leitfaden, der an allen Schulen ohne besonderen Aufwand umgesetzt werden kann, dient und dem Prinzip „Vom Ich übers Ihr zum Wir“ folgt. Das BZdH unterstützt die Anwendung des Modulhandbuchs durch die fachliche Beratung der teilnehmenden Schulen und Träger sowie durch umfangreiche Schulungen der Trainerinnen und Trainer wie auch Künstlerinnen und Künstler. Neben der Konzipierung des Projekts sind die Mitarbeitenden des Projektträgers darüber hinaus für die administrativen Prozesse verantwortlich und begleiten die Umsetzung des Projekts an den unterschiedlichen Schulen. Im Rahmen von regelmäßigen Besuchen vor Ort sowie zentral ausgerichteten Veranstaltungen wird die Vernetzung aller Akteure gefördert und das Einhalten von Qualitätsstandards gesichert.
Transparenz und Erkenntnisgewinn durch wissenschaftliche Begleitung
Um die Qualität des Projekts zu evaluieren und Hinweise für Verbesserungspotenziale zu geben, wird „Lebenswelten aktiv gestalten“ seit Februar 2018 von einem Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Sandra Aßmann und Dr. Katja Serova, Oberstudienrat im Hochschuldienst, vom Institut für Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum begleitet. Die formative Evaluation, bei der anhand von Zwischenergebnissen Anpassungen im Projektverlauf vorgenommen werden können, kombiniert Methoden empirisch-quantitativer und empirisch-qualitativer Sozialforschung. So wurde zum Beispiel in einer Pilotstudie an vier Schulen mit insgesamt 400 Teilnehmenden die soziale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler erfasst. In einem sogenannten „Situational Judgement Test“ wurden 15 alltagsnahe Situationen dargestellt, in die sich die Teilnehmenden hineinversetzen und dargestellte Handlungsmöglichkeiten bewerten sollten. „Auf diese Weise erfahren wir, wie die Inhalte einzelner Module von den Kindern angenommen werden, und können so erkennen, welche Entwicklung das Projekt nimmt und dann gegebenenfalls auch Korrekturen vornehmen“, so Kuckhoff.
Für die Optimierung ist auch der regelmäßige Austausch aller in das Projekt involvierten Akteure wichtig. Dazu finden in regelmäßigen Abständen und auf unterschiedlichen Ebenen Austauschtreffen statt (zum Beispiel Kooperationskreistreffen, Lenkungskreissitzung, Steuerungskreissitzung unter Beteiligung der Kommunalen Koordinierungsstellen KAoA, Ergebniswerkstätten).
Erfahrungen aus der Sekundarschule Rheinhausen
Die Sekundarschule Rheinhausen befindet sich aktuell im zweiten Jahr der Projektphase. Inzwischen laufe die Kooperation zwischen der Schule und den Trainern der Duisburger Werkkiste gut, so der koordinierende Lehrer der Sekundarschule Rheinhausen, Ben Müller. „Grundsätzlich gibt es zwischen unserem Ansatz des Lernens und dem des Projekts viele Gemeinsamkeiten. Jedoch gelten bei uns gewisse Regeln für die Schülerinnen und Schüler, die im Projekt zunächst nicht beachtet wurden, weil sie schlicht nicht bekannt oder ausreichend nachvollziehbar waren. Hier mussten die Lehrkräfte der Schule und die Trainerinnen und Trainer des Trägers sich mit der Zeit zusammenfinden und gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Herangehensweisen entwickeln.
Zu Beginn des zweiten Projektjahres haben wir daher eine Trainerschulung durchgeführt, in der wir über unsere Grundsätze informiert haben, damit wir uns in unserer Arbeit nicht gegenseitig behindern.“ Der Gebrauch des Handys ist an der Schule untersagt. Innerhalb des Projekts kommen die Smartphones für Recherchezwecke oder als Medium für Kunstprojekte zum Einsatz. Umso wichtiger sei es, so Szymanski, in der Auslegung der Regeln transparent zu bleiben. „Regeln sind für die Schüler wichtig, da sie ihnen einen Rahmen schaffen, innerhalb dessen sie sich sicher bewegen können. Es ist daher wichtig, ihnen zu vermitteln, dass wir hinter den Regeln der Schule stehen und erklären, weshalb manche Regeln im Projekt anders sind, als sie es aus dem Schulalltag kennen. Schließlich möchten wir den Schulen nicht in den Karren fahren.“ Aber nicht nur der Austausch zwischen Schule und Träger muss funktionieren. Es gilt auch, die Eltern von dem Projekt zu überzeugen, was sich nicht immer als einfach erweist. Gendorf: „Die Kinder an unserem Standort kommen nicht selten aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Mögliche Sprachbarrieren und lange Arbeitszeiten der Eltern können es erschweren, ihnen die Bedeutung solcher Projekte nahezubringen.“ Das mache die Einholung von Einverständniserklärungen für Ausflüge oder die Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder zur Geduldsprobe, so Müller. Mit der Elternpflegschaft hat man aber inzwischen einen Kanal gefunden, über den die Eltern gut zu erreichen sind.
Verbesserungsbedarf bestand auch in der zeitlichen Ansetzung des Projekts. Müller: „Im ersten Jahr fand die Projektarbeit nachmittags statt. Für „Lebenswelten“ an einem Freitagnachmittag in der Schule zu bleiben, schmeckte vielen Schülerinnen und Schülern nicht besonders. Daher haben wir es in diesem Schuljahr in den Stundenplan implementiert. So wird es nicht mehr als Extraveranstaltung wahrgenommen.“
Nachdem die Anlaufschwierigkeiten nun überwunden sind, fällt das Zwischenfazit an der Sekundarschule in Duisburg durchweg positiv aus. „Das Projekt ist nicht nur für unsere Schule ein Schritt in die richtige Richtung. Lernen in der Schule kombiniert mit erlebnispädagogischen Aktivitäten außerhalb der Schule ist ein zukunftsweisender Ansatz hinsichtlich der Vorbereitung junger Menschen auf ihr Leben nach der Schule“, bekennt Müller. Zu einer ähnlichen Bewertung kommt Roghmanns, der in dem Projekt eine Bereicherung für die Duisburger Schullandschaft sieht: „Das Leben selbstbestimmt und nachhaltig gestalten zu können, ist die Voraussetzung für junge Menschen, den Weg ins Erwachsenwerden erfolgreich zu beschreiten.“ Die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler der Klassen fünf und sechs sei zudem eine gute Vorbereitung zum Einstieg in den Prozess der Berufsorientierung im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA), so Roghmanns weiter. Denn hier werde thematisch eine Lücke zwischen dem Besuch der Grundschule und dem Strang der Berufsorientierung ab der achten Klasse geschlossen.
Ein großer Gewinn für die Schülerinnen und Schüler liege auch darin, durch das Projekt aus dem Schulalltag herauszukommen. Müller: „Innerhalb des Projekts lernen sie ihre eigenen, ganz persönlichen Stärken und Kompetenzen kennen, die ein klassischer Lehrplan nicht zum Vorschein bringen kann. Es ist gut für die jungen Menschen, mal nicht nach Leistung beurteilt zu werden.“ Zu dieser Feststellung kommt auch der Trainer der Duisburger Werkkiste. „Für die Kinder war es jedes Mal ein Highlight die Schulmauern zu verlassen. Der Besuch des Jugendzentrums beispielsweise kam sehr gut bei ihnen an. Viele von ihnen gehen heute freiwillig dorthin und sind so nicht mehr auf der Straße. Es ist toll, dass über das Projekt vor allem die Kinder aus den sozial schwächeren Familien Zugang zur Kultur bekommen. Denn in der Regel kommen sie nicht mit Künstlern in Berührung und besuchen auch keine Museen. Umso größer war dann bei ihnen die Begeisterung zu erleben, wie zum Beispiel ein Graffiti oder ein Comic entsteht.“
Dass das Projekt so gut von den Schülerinnen und Schülern angenommen wird, ist auch der Rolle der Trainerinnen und Trainer zu verdanken. „Im Idealfall arbeiten diese über ein ganzes Jahr mit den Kindern zusammen. Oft werden sie dann zur wichtigen sozialen Bezugsperson“, sagt Kuckhoff. Häufig seien die Trainerinnen und Trainer selbst noch jung. Dies ermögliche ihnen einen leichteren Zugang zu den Kindern, da sie deren Sprache sprechen und vor nicht allzu langer Zeit eventuell ähnliche Situationen durchlebt haben, so die Projektleiterin weiter. Gleichzeitig ist es die Vielfalt eines Trainer-Teams – kunstschaffende und erlebnisorientiert arbeitende Trainerinnen und Trainer, lebenserfahrene und junge Menschen, Frauen und Männer mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Erfahrungen –, die das Projekt auszeichnet. Durch die Kleingruppen, den erlebnisorientierten beziehungsweise künstlerischen Ansatz und den Verzicht auf eine Leistungsbewertung in Form von Noten werden die Schülerinnen und Schüler in erster Linie intrinsisch motiviert.
Die Koordinierung des Gesamtprojektes durch das BZdH gewähre jeder Schule und jedem Träger einen Blick über den „eigenen Tellerrand“ hinaus, macht Kuckhoff deutlich. Zu erfahren, wo vor Ort welche Ansätze und Ideen besonders erfolgreich umgesetzt werden, welche Lösungen im Schulalltag praktikabel sind und wie organisatorische Abläufe verbessert werden können, habe für jede einzelne Schule einen hohen Mehrwert. „Nicht zuletzt wird so auch immer wieder der übergeordnete Projektzusammenhang hergestellt“, sagt Kuckhoff.
Für die Zukunft wünscht sich Rainer Hanses, Geschäftsleiter „Jugend“ vom BZdH, die berufliche Perspektive der jungen Menschen nachhaltiger auszurichten: „Die jungen Menschen müssen frühzeitig wissen, welche grundlegenden Kompetenzen sie für die Arbeitswelt benötigen, gerade in Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt rasant verändert und bestimmte Jobs im Zuge der Digitalisierung wegbrechen. Die Jugendlichen kriegen die Veränderungen in ihrem Umfeld durchaus mit und es hinterlässt sie verunsichert. Ihnen muss zum Beispiel vermittelt werden, dass die lebenslange Bereitschaft zur Anpassung von Wissen und Fähigkeiten notwendig ist und dass sie dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, sagt Hanses. „Lebenswelten aktiv gestalten“ findet ausschließlich an Sekundar-, Haupt-, Gesamt- und Realschulen statt, an denen Schülerinnen und Schüler oft beim Verlassen der Schule erst 16 Jahre alt sind. Das Zeitfenster, sich auf ein Leben nach der Schule vorzubereiten, ist bei ihnen deutlich kleiner als bei Abiturienten, die häufig noch ein mehrjähriges Studium vor sich haben. Sie müssen daher früher wichtige Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf ihren gesamten Lebensweg haben. Sie dabei nicht allein zu lassen, sehen die Verantwortlichen des Projekts „Lebenswelten aktiv gestalten“ als ihre Aufgabe.
1 Die Sekundarschule umfasst die Jahrgangsklassen 5 bis 10. Sie ist mindestens dreizügig und als Ganztagsschule angelegt. Sie ist in Nordrhein-Westfalen neben der Gesamtschule ein Schulangebot mit gebundenem Ganztag. Die Schülerinnen und Schüler werden sowohl auf eine berufliche Ausbildung als auch auf die Hochschulreife vorbereitet. Die Sekundarschule verfügt selbst über keine eigene Oberstufe.
Insgesamt zehn Träger aus der berufsvorbereitenden oder freien Jugendarbeit setzen das Projekt an 18 Schulen in der Kohlerückzugsregion um:
- Otto-Burrmeister-Realschule, Recklinghausen – Bildungszentrum des Handels e. V.
- Käthe-Kollwitz-Schule, Recklinghausen – Art. 62 – Kreativzentrum für Bildungsdesign im Vest gUG
- Sekundarschule-Süd, Castrop-Rauxel – Bildungszentrum des Handels e. V.
- Joseph-Hennewig-Schule, Haltern am See – Förderverein der Joseph-Hennewig-Schule
- Katholische Hauptschule Marl, Marl – Art. 62 – Kreativzentrum für Bildungsdesign im Vest gUG
- Paul-Gerhardt-Schule, Oer-Erkenschwick – Bildungszentrum des Handels e. V.
- Liselotte Rauner-Schule, Bochum – AWO Ruhr-Mitte
- Werner-von-Siemens-Schule, Bochum – Art. 62 – Kreativzentrum für Bildungsdesign im Vest gUG
- Gustav-Heinemann-Realschule, Bottrop – Evangelische Kirchengemeinde Bottrop
- Sekundarschule Rheinhausen, Duisburg – Duisburger Werkkiste
- Gesamtschule Ückendorf, Gelsenkirchen – Bauverein Falkenjugend Gelsenkirchen e. V.
- Sekundarschule Hassel, Gelsenkirchen – Bauverein Falkenjugend Gelsenkirchen e. V.
- Hauptschule am Dahlbusch, Gelsenkirchen – Bauverein Falkenjugend Gelsenkirchen e. V.
- Realschule Sodingen, Herne – Caritasverband Herne e. V.
- Hans-Tilkowski-Schule, Herne – Caritasverband Herne e. V.
- Mont-Cenis-Gesamtschule, Herne – Gesellschaft freie Sozialarbeit e. V.
- Schule am Hexbachtal, Mülheim an der Ruhr – Zentrum für Ausbildung und berufliche Qualifikation Oberhausen e. V.
- Gesamtschule Osterfeld, Oberhausen – Zentrum für Ausbildung und berufliche Qualifikation Oberhausen e. V.
Weitere Informationen zum Projekt: https://www.lebenswelten-aktiv-gestalten.de/
Ansprechperson in der G.I.B.
Kontakte
Rainer Hanses, Geschäftsleitung Jugend
Tel.: 02361 4806103
hanses@bzdh.de
Dorothee Kuckhoff, Projektleitung
Tel.: 02361 4035222
kuckhoff@bzdh.de
Sekundarschule Rheinhausen
Ben Müller, Tel.: 02065 9057811
b.mueller@sekundarschule-rheinhausen.de
Duisburger Werkkiste
Nils Szymanski, Tel.: 0203 80700025
nils.szymanski@werkkiste.de
Kommunale Koordinierungsstelle Duisburg
Axel Roghmanns, Tel.: 0203 2834009
a.roghmanns@stadt-duisburg.de
Autor
nils.strodtkoetter@web.de